Seit Beginn dieses Jahres ist die reformierte Rechtsverordnung des Bundes zur Regelung der Vergütung von Architekten- und Ingenieurleistungen in Deutschland in Kraft. Seitdem gibt es für die Honorare von Architekten und Ingenieuren keine verbindlich festgeschriebenen Mindest- und Höchstsätze mehr.
Damit ist das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 4. Juli 2019 umgesetzt. Der EuGH hatte seinerzeit geurteilt, dass die Verbindlichkeit der Mindest- und Höchstsätze in der HOAI gegen europäisches Recht verstößt. Mit der HOAI 2021 ist deshalb – wie erwähnt – der verbindliche Preisrahmen wegfallen. Stattdessen bietet die HOAI nun einen Orientierungsrahmen, welche Honorare aus Sicht des Verordnungsgebers (= des Bundes) angemessen sind. Diese Grundaussagen haben auch das Bundesbauministerium und das Bundesverkehrsministerium für ihre Fachbereiche „Bundesbau“ bzw. „Straßenwesen“ in begleitenden Erlassen betont. Daneben gab es in der HOAI aber noch weitere Änderungen, wie zum Beispiel die faktische Gleichstellung der Fachplanungsleistungen der Anlage 1 (Bauphysik, Geotechnik, Ingenieurvermessung) sowie der Umweltverträglichkeitsstudie mit den Grundleistungen der HOAI (§ 3 Abs. 1 S. 3 HOAI (2021)). Und für den Fall, dass Auftraggeber und Auftragnehmer keine Vereinbarung über das Honorar treffen, gilt nun der sogenannte „Basishonorarsatz“ (§ 7 Abs. 1 S.2 HOAI (2021)), der anstelle des früheren Mindestsatzes nun die untere Grenze der Honorarspanne bildet. Auch rein redaktionelle bzw. klarstellende Änderungen, wie etwa das Textformerfordernis gegenüber dem früheren – nicht praktikablen – Schriftformerfordernis (§ 7 Abs. 1 S.1 HOAI (2021)), wurden vorgenommen.
Reform nach der Reform der HOAI vonnöten
Derweil in der „alten“ HOAI die festgeschriebenen Mindest- und Höchstsätze Architekten und Ingenieure sowie die Verbraucher vor einem ruinösen Preiswettbewerb schützen sollten, müssen sich nun die Planerinnen und Planer den Wert ihrer Leistungen bewusstmachen und dürfen sich nicht auf ein Preisdumping einlassen. Doch damit nicht genug: Um die Reform der HOAI nach der HOAI-Reform 2021 ging es unlängst beim Deutschen Baugerichtstag, online gestreamt aus dem Kurhaus in Hamm (Westfalen). Der Arbeitskreis IV „Architekten- und Ingenieurrecht" hat Empfehlungen zur Novellierung der HOAI verabschiedet, gerichtet an den Verordnungsgeber, das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Kernaussage: Ohne eine weitere Reform der HOAI, wird sie die ihr zugedachte Orientierung für die Leistungs- und Preisvereinbarung von Architekten und Bauingenieuren sowie Beratenden Ingenieuren zukünftig nicht leisten können.
Aufstockungsklage vor dem Europäischen Gerichtshof
Während die einen sich also um die zukünftige Weiterentwicklung der HOAI kümmern, beschäftigt sich der EuGH nochmals mit der Vergangenheit der HOAI. Es geht um Aufstockungsklagen gemäß der HOAI von 2013, also um die Frage, ob eine auf Zahlung des über einem vertraglich vereinbarten Honorar liegenden Mindestsatzes der HOAI 2013 gerichtete Aufstockungsklage von Planern nach Ablauf der Umsetzungsfrist der Dienstleistungsrichtlinie (Ende 2009) bzw. dem HOAI-Urteil des EuGHs vom 4. Juli 2019 noch Erfolg haben kann oder nicht. In seinem Urteil vom 4. Juli 2019, in dem der EuGH die Mindest- und Höchstsätze der HOAI für mit dem EU-Recht unvereinbar erklärt hat, hat der EuGH diese Frage nicht beantwortet. In der Folgezeit entbrannte daraufhin ein Streit, ob die Mindest- und Höchstsätze noch bis zum Inkrafttreten der neuen HOAI – also dem 1. Januar 2021 – weitergelten oder nicht. Die deutschen Gerichte haben diese Frage nicht einheitlich klären können, und auch der Bundesgerichtshof (BGH) wollte sich nicht festlegen, sondern legte dies wiederum dem EuGH vor. Die mündliche Verhandlung war Anfang Mai. Ein Urteil könnte noch vor Jahresende folgen.
Auswirkungen der HOAI 2021 auf die Berufshaftpflichtversicherung?
Losgelöst von der EuGH-Entscheidung zu den „Altfällen“ ist Fakt: Seit Beginn dieses Jahres gilt die neue HOAI 2021. Die gute Nachricht: Auswirkungen auf die Berufshaftpflichtversicherung von Architekten und Ingenieuren sind derzeit nicht zu erkennen. Denn. Versicherungsgrundlage ist die im Versicherungsschein beschriebene freiberufliche Tätigkeit bzw. das Berufsbild. Eine Veränderung der Leistungsbilder ist jedoch mit der neuen HOAI nicht erfolgt. Soweit vertragliche Leistungen nach HOAI vereinbart sind, müssen diese zur Vertragserfüllung nach wie vor erbracht werden. Das EuGH-Urteil hat nur die Verpflichtung der Mindest- und Höchstsätze geändert und nicht die HOAI als Ganzes, weitere Regelungen der HOAI sind davon nicht betroffen. Darüber hinaus bilden die (Netto-) Honorare der Architekten und Ingenieure bei durchlaufenden Jahresversicherungen die Grundlage für die Beitragsermittlung des Versicherungsbeitrages. Eine Abweichung von diesen Honorarsätzen hatte bisher keine Auswirkung auf den Versicherungsschutz, woran sich auch mit der neuen HOAI nichts ändert. Eine Ausnahme hierzu ergibt sich nur, soweit der Versicherungsvertrag oder die Versicherungsbedingungen explizit die Einhaltung der HOAI-Honorarsätze mit dem Versicherungsschutz verknüpfen, was jedoch nicht marktüblich ist. Im Zweifelsfall sprechen Sie unser Team von der pisa Versicherungsmakler GmbH gerne an.